England & Wales 08/2013

Im August 2013 konnten meine Bockenemer Freunde (mit denen ich bereits im Oktober 2012 unterwegs war) und ich dem Lockruf der Insel einmal mehr nicht widerstehen. Eine abwechslungsreiche Woche im Südwesten Großbritanniens sollte unser diesjähriger Sommerurlaub werden. Als Basis der Tour wurde natürlich unser geliebtes Cardiff erwählt, denn von dort aus waren attraktive Ziele in Wales und Südwestengland bequem zu erreichen. Flüge von Hannover nach London-Stansted mit Germanwings und ein gutes Übernachtungsangebot der Accor Group, verursachten Fixkosten von rund 250 € pro Person. Hinter den Kulissen konnte ich außerdem unseren damaligen Gastgeber Schirm überzeugen zumindest für das erste Wochenende nachzubuchen.

InterCity-Umtrunk

Flug und Zug waren am Anreisetag pünktlich und so konnten wir bereits unser Mittagessen im Prince of Wales verzehren. In diesem Pub hatte ich dann die Aufgabe die Gruppe noch zwei Stunden zu binden, da Schirm erst später von Bremen aus flog und die anderen Jungs nicht wussten, dass er auch mit von der Partie ist. Mit dem beliebten „Ach kommt Leute, ich hole nochmal ’ne Runde“-Spielchen konnte ich der Bande zum Glück schnell ihre Check-In-Flausen austreiben und irgendwann tauchte ein junger Mann mit Rollkoffer auf und ich wurde angestupst. „Guck mal, der sieht ja aus wie Schirm… Moment mal… Nää!… Das gibt’s doch nicht!“ Die alte Crew aus dem Oktober des Vorjahres war nun wieder vereint. Cardiff, you might be offended!

Warten auf den unerwarteten Gast

Nach einer weiteren Runde Bier konnte dann wirklich ins Hotel eingecheckt werden und ein erster Stadtbummel wurde unternommen. Gleich am ersten Tag sollte das reichhaltige Shopping-Angebot der walisischen Hauptstadt einmal mehr geprüft werden. Size?, JD Sports und Co offerierten wieder mal beste Sneaker und so manche Pfundnote ging schon heute über den Verkaufstresen. Cardiffs Haupteinkaufsstraßen sind die Queen Street, die St Mary Street und The Hayes. Diese Straßen umrahmen außerdem die große Shopping Mall namens St David’s Centre mit 203 Geschäften. Da ist wirklich für jeden was zu finden und weil Cardiff eine Stadt der kurzen Wege ist, sind auch die innerstädtischen Pubs nur einen Steinwurf von der Mall entfernt. Das Shopping hatte auf jeden Fall durstig gemacht und dementsprechend musste nun in schicken Pubs wie der Rummer Tavern und dem Goat Major in Ales investiert werden.

Rechts im Bild: die Rummer Tavern

Nachdem bei diversen Bieren ausreichend über großes Autorenkino der 1980er Jahre philosophiert wurde (Top Gun, Bloodsport, Red Scorpion u. v. m.), musste sich nochmal der festen Nahrung gewidmet werden. Schließlich war heute im Prince of Wales der Curry Club angesagt und ein bisschen exotisch gewürztes Hähnchenfleisch zum Sonderpreis lasse ich mir in Großbritannien eigentlich nie entgehen. Die Skeptiker der indischen Küche kamen mit Burgern auf ihre Kosten und ich hatte mein geliebtes Chicken Balti. Ohne Loch im Bauch konnte sich nun ins Nachtleben gestürzt werden. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters von Teilen der Reisegruppe kamen wir heute leider nicht ins Glam, jedenfalls nicht als Gruppe. Also machten Schirm und ich auch wieder kehrt und wir gingen zusammen durch anspruchslosere Tür des Crockerton. Das Glam ist donnerstags eigentlich immer die beste Adresse, aber Spaß und was für’s Auge gab es auch im Crockerton. Anschließend ging es weiter in die Live Lounge, wo auch noch gut was los war. Ordentlicher Britpop auf die Ohren und Carling für ein Pfund, what else you gonna do on a thursday evening?

Chicken Balti

Freitag war es schon ab morgens herrlich sonnig und nach einem Large English Breakfast spazierten wir die 1.896 Meter vom Stadtzentrum zur Cardiff Bay. Cardiff, einst der größte Kohlehafen der Welt, investierte mehrere hundert Millionen Pfund, um die in jeder Hinsicht vor sich hindarbende Bay Area wieder neu zu entwickeln. Nun findet man dort Uferpromenaden, Freizeitangebote, Gastronomie, einige historische Gebäude, die futuristische Nationaloper und das walisische Parlament (Wales ist teilautonom von Großbritannien). Bei ein paar leckeren Bieren genossen wir die Sonne und die Aussicht vom Balkon eines der Gasthäuser dort. Im Moment war nicht nur wegen des Wetters und des anbrechenden Wochenendes viel los am Wasser. Auch hatte man auf dem großen Platz des Areals, dem Roald Dahl Plass, jede Menge Sand aufgeschüttet und einen sich vor allen an Familien richtenden City Beach kreiert.

A sunny day at Cardiff Bay

Am frühen Abend wurden noch ein paar Lebensmittel im Hotel gebunkert und dann ging es auch schon wieder auf die Piste. Der Prince of Wales war wieder einmal mehr der richtige Ort für ein deftiges Abendessen und ein paar Pints bei amüsanten Gesprächen. Außerdem war Freitag und der Pub gerammelt voll. Ein paar Pints für unter zwei Pfund zum Vorglühen lassen sich nur die wenigsten Gruppen vor der Disco entgehen. Wir zogen dann gegen 22 Uhr zur Disco-Meile in der Greyfriars Road weiter, wo uns die Promo-Girls des Oceana sogleich abfingen und uns VIP-Bändchen um’s Handgelenk klebten. Damit hatten wir nun freien Eintritt ohne Anstehen (was um die Uhrzeit aber eh noch nicht das Problem war) und bis Mitternacht zwei Getränke zum Preis von einem. Das nutzten wir gleich für eine Rutsche Cocktailpitcher und genossen die Drinks in einer Sofa-Ecke der Nineties Area. Ab 23 Uhr füllte sich der Laden so langsam und auch wir schwangen endlich das Tanzbein und kamen mit den Damen des Saales nun auch außerhalb der Unisex-Toiletten auf Tuchfühlung.

A few drinks

So gegen 1 Uhr verlagerten wir unseren Schwerpunkt dann in die Techno Area, wo noch etwas mehr los war und die Beats einen zwanghaft Abzappeln ließen. Als um 3 Uhr unweigerlich das Licht anging, strömte alles wie immer nach draußen und es spielten sich auf dem Trottoir wieder einmal diese unbeschreiblichen Szenen ab, die Cardiff so berühmt gemacht haben (Buchtipp: „Cardiff After Dark“). Die meisten Menschen waren gewohnt enthemmt vom Alkohol. Binge Drinking ist hier eben geschlechterübergreifend Volkssport. Unser Pegel war auch zumindest so weit fortgeschritten, dass das Hotelbett eine echte Verheißung war. Teile der Gruppe hatten noch andere Betten im Auge, aber ich war mittlerweile mit einem fettigen Cod to go und meinem Bettchen ausreichend befriedigt.

It might offend you

Am Samstagvormittag musste erstmal erörtert werden, wer eigentlich in der Lage ist den Mietwagen abzuholen, den wir ab heute gebucht hatten. Der schöne Ford Focus wurde nun etwas später als geplant entgegen genommen, aber dann ging es mit Tempo in die Brecon Beacons, einen der drei Nationalparks von Wales. Die Brecon Beacons sind ein Mittelgebirge (bis zu 886 m hoch) ca. 75km nördlich von Cardiff. Wir hatten es dort auf die Wasserfälle rund um die Ortschaft Ystradfellte abgesehen. Eine besonders schöne Ecke der Region, allerdings heute auch mit Wasserfällen aus der durchten Wolkendecke gesegnet. Da half vorerst nur die Einkehr ins Angel Inn (ein Pub in Pontneddfechan, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung). Als erfahrenen Meteorologen war uns nach einem Pint bereits klar; besser wird das Wetter so schnell nicht. Ergo marschierten wir los und genossen auch bei dieser Witterung die schöne Natur.

Malerisches Neath-Tal

Besonders begeistert waren wir beim ersten größeren Wasserfall auf der Wanderung. Am Swgd Gwladys hatten sich zahlreiche junge Männer in Badehose versammelt und sprangen munter herunter ins Wasser. Hätten wir das mal vorher gewusst, dann hätten wir sicher auch Badesachen eingepackt… So blieb uns nur die Zuschauerrolle, ehe die nächsten Kilometer in Angriff genommen wurden. Nach zwei Stunden Marsch, im Tal des Flusses Neath entlang, wurde der Regen unfassbar heftig und selbst beste Outdoor-Klamotten waren irgendwann komplett durchgeweicht. Anderen Menschen begegneten wir auch nicht mehr, stattdessen waren überall Schafe. Sanfte grüne Hügel, tausende Schafe und Dauerregen, mehr Wales geht nicht!

Die wagemutigen Waliser

Die letzten Kilometer waren wir wirklich nur noch angepisst und sprachen kaum noch miteinander. Alle waren fokussiert darauf bloß schnell wieder im Auto zu sitzen. Als dann endlich abermals das Angel Inn erreicht war, konnten wir im Warmen bei einem Pint schon wieder herrlich lachen. Außerdem bewunderten wir die Replika eines keltischen Goldschatzes im Nebenraum des Pubs und das persönliche Autogramm von David Hasselhoff für das Angel Inn. The Hoff weiß was gut ist. Und er lebt noch. Daher kann er unmöglich der Geist sein, der dort auf der Herrentoilette spukt.

Wet Wales

Im Automobil drehten wir die Heizung auf und rasten beschallt von The Jam durch die Valleys zurück nach Cardiff. Die heiße Dusche im Hotel war ein Traum und nach ihr ging es wieder auf die Piste für ein neues Abenteuer im Cardiffer Nachtleben. Heute wäre eigentlich auch die Möglichkeit gewesen etwas Fußball zu schauen, aber nochmal Newport County (wie bereits im Vorjahr) musste nach den Strapazen des Tages nicht mehr zwingend sein. Zumal die Presseakkreditierung diesmal im Vorfeld missglückte und das Spiel gegen die Bristol Rovers aufgrund der räumlichen Nähe ausverkauft war. Stattdessen gönnten wir uns diverse Real Ales in der Central Bar, die wenig überraschend sehr zentral liegt. Anschließend war in der Partymeile Greyfriars Road erneut Drinking, Dancing  & Dealing with compliments angesagt. Bis um 3 Uhr das Licht wieder angeknipst wurde.

Disco Don

Sonntag verabschiedete sich Schirm von uns in Richtung London (Business und so) und wir fuhren auch erstmal in die gleiche Richtung. Unser Tagesziel war allerdings die Stadt Bath in der englischen Grafschaft Somerset. Das Umland der Stadt war schon sehr Rosamunde Pilcher tauglich und Bath selbst zählt zum UNESCO Welterbe. Die Stadt lockt Besucher von nah und fern mit ihren antiken römischen Bädern, der mittelalterlichen Bath Abbey und dem recht geschlossen wirkenden georgianischen Stadtbild, als dessen hauptsächlicher Baustoff der Bath Stone diente (ein lokaler Kalkstein).

Bath Abbey

Vor den römischen Bädern war leider eine Armee von Asiaten in Reih und Glied aufmarschiert, so dass wir uns die Besichtigung schenkten. Aber wie erwähnt, hatte Bath noch mehr zu bieten. Außerdem waren landestypisch am Sonntagnachmittag die Geschäfte in der Innenstadt geöffnet und wir shoppten noch ein paar Kleinigkeiten. Danach stärkten wir uns mit Cornish Pasties und fanden schließlich einen kleinen urigen Altstadtpub namens Coeur De Lion mit diversen Real Ale im Ausschank. Zurück zum Auto machten wir noch einen kleinen Umweg, um den Royal Crescent zu sehen. Dann waren im Prinzip die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgehakt. Bath hat offenbar genau die richtige Größe für einen Tagesausflug.

The Royal Crescent

Auf Wunsch meiner Bockenemer Freunde ging es nun nach Thornbury in South Gloucestershire. Diese Kleinstadt ist Partnergemeinde von Bockenem und die Jungs waren dort mal zum Schüleraustausch. Wir flanierten ein bisschen durch den Ort und den Schlosspark und ich lauschte den alten Geschichten der Freunde, wie sie hier als Teenager etwas für die Völkerverständigung taten. Das setzten wir später bei einem Ale und König Fußball im Pub fort (Chelsea vs. Hull City), ehe es wieder auf die andere Seite der Severn-Mündung ging.

St. Mary Church Thornbury

Montag durfte einmal mehr das Large Breakfast die ersten 1.500 Kalorien des Tages liefern. Danach fuhren mit dem Mietwagen Richtung Swansea, ließen das hässliche Entlein von Wales aber links liegen und durchquerten die Gower Peninsula bis zum Rhossili Beach, einem der vielleicht schönsten Strände Europas. Auch hier lockte zunächst ein Pub, der uns Burger und das lokale Ale servieren durfte und von seiner Terrasse einen tollen Ausblick auf die Bucht und die vorgelagerten Felsen bot.

Rhossili Bay

Der imposante Worm’s Head ist bei Ebbe fußläufig erreichbar. Wir waren aber zu spät dran, um es noch ohne zu hetzen hin und zurück zu schaffen. Also machten wir es uns auf den Klippen gemütlich und genossen den Ausblick raus auf’s Meer. Anschließend wurde noch etwas den Wales Coastal Path entlang gewandert und abends ging es wieder zurück in die Hauptstadt dieses wunderschönen Landes.

Worm’s Head

Dienstag war nochmal ein Kulturprogramm in Cardiff angesetzt. Das Castle sollte endlich mal von innen bewundert werden. Das Wahrzeichen der Stadt kann auf fast 2000 Jahre Geschichte zurückblicken. Die Römer errichteten hier im 1.Jahrhundert n. Chr. ein erstes Kastell und Teile davon bilden noch heute Mauerwerk der Burganlage. Im 11.Jahrhundert ließ William the Conqueror (Wilhelm der Eroberer) eine Motte innerhalb der Kastellmauern aufschütten und Anfang des 12.Jahrhunderts wurde darauf ein bis heute erhaltener Normannischer Keep aufgetürmt.

Der Normannische Keep auf der Motte

Im späteren Mittelalter verlor die Burg an militärischer Bedeutung (Caerphilly Castle als Bollwerk der englischen Eroberer lief ihm den Rang ab) und verfiel zusehends. Erst im späten 18.Jahrhundert nahmen sich die Marquesses of Bute Generation für Generation der ihnen zugefallenen Burg an. Im 19.Jahrhundert ließ der 3rd Marquess of Bute, seinerzeit der reichste Mensch der Welt, die Burg aufwendig zum viktorianischen Schloss umgestalten und erweitern. Sein neogotisches Märchenschloss mit 17 prunkvollen Gemächern sah ich mir nun genauer an. Ebenso das Militärmuseum unterhalb des repräsentativen Südtors, sowie die Wehrgänge der Burg.

Unsittliches Verhalten. Leider die Regel in Cardiff 🙂

Nach der ausgedehnten Castle Tour starteten wir nochmal einen Pub Crawl. Am letzten Abend musste natürlich abermals ordentlich in der Partystadt gefeiert werden und dort ist auch dienstags gut was los. Wir schlürften im Revolution Club Cocktails aus Teetassen und machten noch einen ordentlichen Zug durch die Gemeinde, der spät nachts bei Fish & Chips in der Fressmeile Caroline Street endete. Noch ein üppiges Frühstück am nächsten Morgen und ein Pint Brains zum Abschied und dann mussten wir mittags leider einen InterCity nach London besteigen. Dort vereinigten wir uns wieder mit Schirm und lungerten noch ein bisschen in der Weltstadt rum, ehe unsere Flieger am Abend nach Bremen und Hannover abhoben.

Millennium Centre Cardiff Bay

Bis bald Cardiff, nächstes Mal vielleicht auch wieder mit Fußball.

Song of the Tour: Da auf dieser Tour ausufernd mit Bloodsport-Metaphern gearbeitet wurde, will ich dieses filmische Meisterwerk natürlich am Ende nochmal würdigen.