Rothenburg & Augsburg 03/2014

  • 01.03.2014
  • FC Augsburg – Hannoverscher SV von 1896 1:1
  • 1.Bundesliga (I)
  • SGL-Arena  (Att: 28.311)

Seit Augsburgs Bundesligaaufstieg habe ich 96 zu allen Auswärtsspielen dorthin begleitet. Dabei ist weder der Gegner, noch das Stadion attraktiv, aber die Tour kann man immer so herrlich mit anderem Touri-Kram verbinden. Denn viele schöne Städtchen liegen auf dem Weg dorthin und Augsburg selbst ist ja auch ganz okay. Ob Nördlingen, Ansbach, Aalen, Dinkelsbühl oder das heutige Ziel Rothenburg ob der Tauber, die Auswahl an netten kleinen Städten ist groß.

Die Schnorrer Firm

Für die Tour waren schnell InterCityBerger, Pumba, der Ziii und unser Chauffeur Uboot-Kopetsch begeistert. Der stand in aller Herrgottsfrühe vor meiner Haustür und wir ratterten in seinem PKW die 400 km zum Etappenziel runter. Das ging so flott, dass wir zur Frühstückszeit in Rothenburg waren. Praktischerweise waren um die Zeit noch keine Herrscharen von Touristen in der Altstadt unterwegs und für Frühstück sorgte nun auch noch ein Wahlkampfstand der Freien Wähler. Die hatten Kaffee, Kuchen und Brötchen mit warmem Leberkäse für das Stimmvolk dabei. Um erfolgreich schnorren zu können, behaupteten der Ziii und Berger sie seien Zugezogene. Der Kandidat war begeistert, denn „Rothenburg braucht jungen Zuzug. Dafür kämpfen die Freien Wähler.“ Da wurde den potentiellen Wählern natürlich noch ein Nachschlag gewährt und Uboot-Kopetsch und ich (der Besuch aus der alten Heimat) wurden ebenso umgarnt, da wir bei der baldigen Europawahl angeblich auch in Norddeutschland einen der Kandidaten wählen können, während es hier heute zuvorderst um die bayrische Kommunalwahl ging.

Stadttor Rothenburg

Mit diversen Flyern und Leberkäs-Semmeln to go verließen wir jedoch alsbald die CSU-Alternative und erkundeten die Altstadt von Rothenburg, Denn der Wahlkampfstand lag praktischerweise am Burgtor, dem ältesten und größten Torturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Jene war komplett erhalten und begehbar, was wir sogleich ausnutzten. Rothenburg lebt davon, dass man es geschafft hat seinen Stadtkern über die Jahrhunderte nahezu unverändert zu erhalten. Auch heute wird penibel darauf geachtet, dass ansässige Kleinunterunternehmer und Gastronomen nicht mit irgendwelchen Leuchtreklamen o. ä. für krasse Brüche in der Optik sorgen. So ist die Stadt zum romantischen Archetypus der deutschen mittelalterlichen Stadt geworden, besonders im Ausland. Nach einer Stunde des recht einsamen Erkundens der Altstadt, kamen die ersten Busladungen Asiaten durch die Stadttore geströmt. Schnell noch ein paar Schnappschüsse und danach erstmal wieder hinfort aus diesem architektonischen Gesamtkunstwerk.

Marktplatz

Beim Rückmarsch zum Auto kamen wir nun an einer Pinte vorbei, die durch vergilbte und geschlossene Gardinen und einen leeren Speisekartenkasten aufgegeben wirkte, aber sehr zu unserer Freude geöffnet hatte. Drinnen versprühte die noch hängende Silvester-Deko den Charme der Nachlässigkeit und die sanitären Anlagen dürften noch älter als der historische Stadtkern von Rothenburg gewesen sein. Mit arbeits- und lichtscheuem Publikum an der Theke und an den Spielautomaten, machte der griechische Kneipier auch schon morgens um 10 Uhr ein paar Taler Umsatz. Wir bestellten aus gesundheitlichen Gründen Flaschenbier und erfreuten uns an dieser Insel des Prekariats in dem ansonsten so fein herausgeputzten Rothenburg ob der Tauber.

Zu Gast im Württemberger Hof

Württemberger Hof hieß dieses Freizeitheim für Job-Center-Kunden und als auch noch ein paar Zahnlose im Jogginganzug mit vollen Plastiktüten einmarschierten, hätten wir am liebsten noch eine zweite Runde bestellt. Aber man soll ja gehen, wenn es am schönsten ist und so beendeten wir unsere Milieustudie vorzeitig, um dafür zeitig in Augsburg zu sein. Letzte Amtshandlung war in Rothenburg noch ein Bierkauf bei Kaufland (es wird ja noch ’ne lange Rückfahrt geben), wo wir das uns bisher unbekannte, aber schmackhafte Landwehrbräu erwarben. Überhaupt hatte der fränkische Kaufland, abgesehen von den üblichen Fernsehbieren, einiges an lokalen Bieren im Sortiment. An Biervielfalt hat es den Franken schließlich noch nie gemangelt.

Landwehr-Bräu

Und auch in (Bayrisch-)Schwaben sollte der Tag weiter im Zeichen des Bieres stehen. Wir suchten dort das Brauhaus Riegele auf, wo die zahlreichen prämierten Brauerzeugnissen des Hauses gekostet wurden. Das was die Braumeister dort kreieren, bekommt heuer allenorten die Trendbezeichnung Craftbeer, sie selbst nennen es aber weiterhin Bier. Und es ist einfach handwerklich gut gemachtes Bier. Besondere Spezialität: Der gestiffelte Bock. 0,1l Bockbier (hell oder dunkel) wird zusammen mit einer glühenden Eisenstange serviert. Jenes heiße Eisen taucht man nun kurz in das Bier ein. Der Restzucker karamellisiert dabei und das Bier schäumt cremig auf. Das Bier selbst ist auch nach der kurzen Prozedur noch angenehm kühl, der Schaum dagegen wohlig warm. Wirklich ein Hochgenuss.

Der gestachelte Bock

Nach diversen Bieren, und nachdem auch der seperat angereiste Pumba dazugestoßen war, spazierten wir noch ein wenig durch die Gemeinde. Augsburg hab ich ja nun schon ein paar Mal gesehen, aber es hat dort genug schöne Ecke, um jedes Jahr auch andere Orte als das schnöde Stadion und irgendwelche Pinten aufzusuchen. Im historischen Stadtzentrum dominieren die Basilika St. Ulrich und Afra und der Perlachturm die Stadtsilhouette. Zusammen mit dem Rathaus, welches zu den bedeutensten Profanbauten der Renaissance nördlich der Alpen zählt. Auf weitere touristische Höhepunkte wie die Fuggerei oder Teile der erhaltenen mittelalterlichen Stadtbefestigung verzichteten wir heute aus Zeitgründen und brachen just in time zum Augsburger Stadion auf.

Rathaus und Perlachturm

Der schmucklose Bau am Stadtrand trägt den Namen der Firma SGL. Da ich es nicht nachgeschlagen habe, weiß ich bis heute noch nicht, mit welchen Produkten oder Dienstleistungen dieses Unternehmen seine Erträge erwirtschaftet. Die Geschäfte scheinen jedenfalls genug abzuwerfen, um die Namensrechte eines Bundesligastadions zu halten. Genauer gesagt die Namensrechte eines absoluten 08/15-Neubaus auf der grünen Wiese, der nicht mal eine richtige Fassade bekommen hat. Dafür ist es angeblich das einzige klimaneutrale Stadion in Deutschland. Die technischen Installationen mit Wärmepumpen und Bio-Erdgas-Kessel weckten von Berufswegen mein Interesse, aber Details dazu spare ich an dieser Stelle im Sinne des Lesers mal aus.

Augsburgs Arena von außen

Auch das Spiel lässt sich trotz seiner kurzweiligen Gestaltung durch beide Teams schnell erzählen. Die ersten 20 Minuten neutralisierten sich beide Mannschaften noch, aber dann war Mame Diouf für 96 zur Stelle und markierte in der 21.Minute das 1:0 aus hannoverscher Sicht. Zuvor hatte Augsburgs Schlussmann Manninger einen Torschuss von Rudnevs zur Ecke geklärt. Den fälligen Eckstoß von Huszti verlängerte Schmiedebach auf Diouf, der aus der Drehung aus fünf Metern unhaltbar einschoss. Augsburg machte fortan mehr Druck und bis zur Pause gab es noch einige Chancen auf beiden Seiten.

Augsburgs Arena von innen

Nach der Halbzeitpause erhöhte Augsburg nochmals den Druck und in der 55.Minute traf Klavan völlig verdient zum 1:1. Von Hannover ging nur noch wenig Initiative aus und lediglich ein starker Zieler verhinderte die Führung der Hausherren, welche bis zum Abpfiff in der Luft lag. Der Punkt war zwar am Ende etwas schmeichelhaft, aber wir Fans und die Mannen von Tayfun Korkut nahmen ihn natürlich gerne mit nach Niedersachsen. 96 verharrt damit im Niemandsland der Tabelle und der FC Augsburg bleibt auf Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen.

Nächtliches Lungern in Rothenburg

Auf dem Rückweg (nun mit Pumba zu fünft) stoppten wir nochmals im schönen Rothenburg, aber nach Einbruch der Dunkelheit war dort natürlich der Hund begraben. Nochmal Asi-Pinte musste nicht sein und so tranken wir ein paar mitgebrachte Biere auf der Stadtmauer, was natürlich auch seinen Charme hatte. Einzig warum sich die drei Dicken auf der Weiterfahrt vom Ziii auf die Rückbank verdrängen ließen, weiß ich bis heute nicht. Der Alkohol muss uns wohl willenlos gemacht haben. Jedenfalls war es nicht nur verdammt eng, nein, natürlich hatten wir auch noch unter dem Terrorregime des Ziiis zu leiden. Der drehte die Heizung regelmäßig bis zum Anschlag auf und als alle oberkörperfrei waren, rieß er alle Fenster auf, was bei winterlichen Temperaturen und 180 km/h der Untergang für unsere Immunsysteme war. Vielen Dank auch!

Song of the Tour: Der Soundtrack unseres Rothenburger Kneipenabstechers. Müsste man nur noch Spielautomatengeräusche untermischen.