2015/16

Ein Abstieg mit Ansage

Erinnern wir uns zunächst an den Mai 2015. Hannover 96 konnte mit viel Glück nochmal den Abstieg in die 2.Bundesliga abwenden. Michael Frontzecks 5-Spiele-Mission war also erfolgreich. Dennoch endete sie vertraglich im Mai und ein neuer Trainer mit langfristiger Perspektive hätte übernehmen können. Dieser Trainer X war aber anscheinend nicht zu finden oder wurde gar nicht erst gesucht. Jedenfalls legte Martin Kind fest, dass Michael Frontzeck einen 2-Jahres-Vertrag bekommt und von der Interims- zur Dauerlösung wird. Den Fans wäre laut Kind ein neuer Trainer nicht vermittelbar gewesen. Ist klar, als wenn Martin Kind plötzlich die Fanseele kennen würde und ihm die Fanmeinung obendrein auch noch wichtig wäre. Die Meinungen im Fanlager dürften bei der Personalie Frontzeck sehr gemischt gewesen sein. Viele waren skeptisch, ob der Mann mit der eher durchwachsenen Trainer-Vita, eine ganze Saison erfolgreich arbeiten kann. Zumal der Kader schon wieder wichtige Spieler verlor. Lars Stindl zum Beispiel, einer der Garanten des Last-Minute-Klassenerhalts und neben Zieler der Topstar von 96, wechselte zu Borussia Mönchengladbach. Der Stürmer Joselu, dessen Rückrunde enttäuschend war, wurde für viel Geld zu Stoke City transferiert (geschätzte Ablöse: 8 Mio €). Und Leo Bittencourt, großes Talent mit verhältnismäßig viel Erfahrung für sein Alter, wurde wiederum zum Freundschaftspreis an den 1.FC Köln abgegeben. Damit war schon mal die Hälfte der mageren 40 Tore der Vorsaison wegtransferiert.

Treffsicheren Ersatz sollte jemand holen, der eigentlich schon entlassen war. Bei Dirk Dufner waren sich Fans und Gesellschafter wohl ausnahmsweise einig; der Manager war gescheitert und auszutauschen. Aber Kind entschied sich noch bis Ende August mit Dufner weiterzumachen. Sprich es wurde vereinbart, dass der Mann noch den Kader für die neue Saison bastelt, dann aber zu Saisonbeginn die Koffer packt. Eine hanebüchene Lösung, die zu einem weiteren Sargnagel werden sollte. Denn die Leute, die die „Lame Duck“ Dufner jetzt verpflichtete, hatten nicht die Qualität das Team zu verbessern. Mevlüt Erdinc und Charlison Benschop sollten in der neuen Saison für Tore sorgen. Laut Martin Kind, der nun wohl glaubt Ahnung von Fußball zu haben, wären die beiden zusammen für 30 Tore gut. Dabei waren beide komplett ohne Bundesligaerfahrung und keiner von beiden hatte in den letzten Jahren 15 oder mehr Saisontore geschossen. In schwächeren Ligen als der Bundesliga wohlgemerkt (Ligue 1, Eredivisie und 2.Bundesliga).

Sommerreise nach Lublin

Außerdem kamen vom Absteiger (und zugleich Dufners Ex-Arbeitgeber) SC Freiburg die Spieler Felix Klaus und Oliver Sorg, aus Dänemark das Talent Uffe Bech und aus Frankreich auf Leihbasis Nachwuchskicker Allan Saint-Maximin. Schon bevor der erste Ball rollte, unter’m Strich keine besonders vielversprechenden Neuzugänge. Jedenfalls in den Augen vieler Fans und Beobachter von 96. Und die schwachen Testspiele der Mannschaft gaben weiteren Anlass zur Sorge. Dabei fing es auf dem Papier gar nicht schlecht an. Hannover 96 nahm im südostpolnischen Lublin am „Lotto Lubielskie Cup“ teil und gewann trotz lahmen Sommerfussball das Turnier (1:0 gegen die B-Elf des AS Monaco und 4:2 n.E. im Finale gegen Lechia Gdansk). Aus Fansicht ein kleines Highlight und immerhin ein Bus wurde nach Polen gefüllt. 96 international zieht auch in der Saisonvorbereitung.

1.Pokalrunde in Kassel
1.Pokalrunde in Kassel

Beim Rest der Testspiele stimmte aber weder das Ergebnis, noch die Leistung. Gegen Amateurmannschaften wurde oft nur knapp gewonnen und gegen teilweise zweitklassige Profimannschaften unentschieden gespielt oder verloren. Auch das erste Pflichtspiel war wenig überzeugend. Im DFB-Pokal hatten wir das schöne Los KSV Hessen Kassel bekommen. Mehrere Tausend 96-Fans traten die kurze Reise nach Nordhessen an und sahen im Auestadion keinen großen Leistungsunterschied zwischen dem Bundesligisten und dem Regionalligisten. Es reichte dennoch zu einem Pflichtsieg mit 2:0. Das Glücksgefühl eines Sieges war 96 beim Bundesligaauftakt leider nicht vergönnt. Es ging wieder nach Hessen, diesmal in den Süden des Bundeslandes, wo Sensationsaufsteiger Darmstadt 98 den 96ern ein 2:2 abtrotzte. Charlison Benschop schoss hier das erste und letzte Tor der „Mission 30“, während Sturmpartner Erdinc einen Elfmeter verschoss. Zum Endstand gegen zweimal führende Lilien musste dann ein Eigentor helfen.

Beim Heimauftakt gegen Bayer Leverkusen reichte den Gästen ein Freistoßtor, um harmlosen Hannoveranern drei Punkte abzuknöpfen. Martin Kind wurde schon wieder nervös und wollte nochmal Neuzugänge verpflichten. Jene aber wollte Trainer Frontzeck nicht. Es sah so aus als wenn weder er, noch Dufner irgendwen Vielversprechendes in der Hinterhand hatten. Somit wollte der Trainer das Geld lieber für die nächste Transferperiode aufsparen und diese mit einem noch zu verpflichtenden neuen und motivierten Manager seriös vorbereiten. Das klang vernünftiger als Panikkäufe, gleichwohl war aber klar, dass jenes Vorgehen bei ausbleibendem Erfolg gegen den Trainer verwendet wird. Denn bundesligatauglich stuften etliche Experten die 96-Elf nicht ein und Martin Kinds Zielsetzung einer Saison ohne Abstiegsgefahr mutete utopisch an.

Mit wehenden Fahnen in Mainz

Es folgte eine deutliche 0:3 Niederlage in Mainz. Danach spielte man daheim gegen Dortmund phasenweise ganz vernünftig und besonders der vermeintliche Stürmer Nr. 3 Artur Sobiech überzeugte mit einem Doppelpack. Verteidiger Felipe jedoch hatte einen rabenschwarzen Tag und verursachte zwei Strafstöße und ein Eigentor. Endstand: 2:4. Auch in Augsburg war nichts zu holen (0:2) und mit dem VfB Stuttgart kam ein weiterer Fehlstarter der Bundesliga nach Hannover. Die Schwaben waren unter ihrem damaligen Trainer Zorniger auch an diesem Abend ein schlagbarer Gegner. Aber die frühe 96-Führung von Karaman drehten Gentner und Werner binnen zwei Minuten und in der Schlussminute machte Maxim den Sack zu (1:3).

Als die Luft für Frontzeck sehr dünn wurde, reichte es zunächst zu einem glücklichen Punkt in Wolfsburg (1:1) und danach wurde Bremen knapp mit 1:0 geschlagen. Auch in Köln hatten die Frontzeck-Schützlinge verdammt viel Glück. Überlegene Kölner vergaben reihenweise Chancen und Andreasens klares Handtor in der 38.Minute wurde vom Schiedsrichter gegeben. Nach 9 Spielen hatten die Roten die Abstiegsränge verlassen und immerhin 8 Punkte auf dem Konto. Gegen Eintracht Frankfurt folgte die nächste mangelhafte Leistung, doch der Dusel der letzten Partien schien erstmal wieder aufgebraucht und ebenso abstiegsreif spielende Hessen gewannen 2:1 gegen 96.

2.Pokalrunde in Darmstadt
2.Pokalrunde in Darmstadt

Die 2.Runde des DFB-Pokals führte uns erneut zum SV Darmstadt 98. Da ich im August noch verhindert war, freute ich mich bei meinem nun schon vierten Besuch am Böllenfalltor endlich mal den Gästeblock kennenzulernen, der sich nahtlos an den nostalgischen Zustand des Gesamtstadions anpasste. Unter dem Motto „96 Fans machen Party“ wurde trotz intensiver Eingangskontrollen ein großes Feuerwerk abgebrannt. Gelungene Generalprobe für Silvester, aber der Funke sprang nur bedingt auf die Mannschaft über. Man schied mit einer 1:2 Niederlage am Bölle aus dem Pokal aus.

Feuerwerk am Böllenfalltor
Feuerwerk am Böllenfalltor

Nach den beiden traurigen Vorstellungen gegen Frankfurt und Darmstadt war Michael Frontzeck natürlich wieder extrem in der Schusslinie. Das kommende Auswärtsspiel von 96 musste ich wie so viele Spiele in dieser Saison im Ausland verfolgen. Wobei „musste“ falsch klingt. Ich machte lieber möglichst viel Urlaub in meiner Freizeit, als meinen Terminkalender weiterhin nach 96 auszurichten. Die auch auf dieser Seite skizzierte Entwicklung der letzten Jahre hatte deutliche Spuren hinterlassen. Diese glühende Leidenschaft, die mich über zwei Jahrzehnte ins Stadion trieb, war einfach nicht mehr da. 96 interessierte nach wie vor und nahezu jedes Spiel wurde geschaut, aber mehr Freude bereitete mir Amateurfußball in der Heimat und jeglicher Fußball im Ausland. Die Liebe zum Spiel und seinem Drumherum war ungebrochen, aber 96 war nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt meiner Fussballleidenschaft. So erbebte Edinburgh nach dem schmeichelhaften 2:1 Sieg beim Hamburger SV auch nicht durch mein Jubelgeschrei. Ein einfaches Cheers auf 96 war ausreichend. Zumal auch dieses Spiel nicht wie der Durchbruch wirkte.

Endstation Mönchengladbach-Lürrip

Hannover 96 bot auch im kommenden Heimspiel gegen die Überraschungsmannschaft Hertha BSC unattraktiven und erfolglosen Fußball (1:3). Erst gegen Borussia Mönchengladbach kam man nach schwacher 1.Hälfte im zweiten Durchgang endlich mal zu vielen Torgelegenheiten. Nur ergaben sich für die Borussen mindestens genauso viele Chancen und am Ende hatte Mönchengladbach ein Tor mehr verbucht (1:2). Für weitere Schlagzeilen sorgte bei dieser Partie eine Polizeimaßnahme. 96-Fans, vorwiegend Ultras, wurden auf ihrer Zugreise in den Westen der Republik von Gladbacher Gewaltsuchern überfallen. Im Regelzug mit unseren Fans wurde mutmaßlich von einem Komplizen der Gladbacher Angreifer die Notbremse gezogen und Vermummte griffen den Zug an. Nachdem dieser Angriff abgewehrt war, verwehrte die Polizei den 238 96-Fans im Zug die Weiterfahrt zum Spiel und schickte alle zurück nach Hannover. Bemerkenswerterweise blieben die enttäuschten 96er absolut friedlich und auch der Club wirkte mit einer differenzierten Darstellung der Ereignisse der weiteren Stigmatisierung der 96-Ultras entgegen. Denn die Lokalpresse witterte natürlich schon wieder Auflage mit geilen Gewaltstorys über den Bürgerschreck Ultras Hannover.

Nachdem der Trip nach Mönchengladbach auf allen Ebenen ein Flop war, gab es endlich mal wirklich etwas zu Feiern. Hannover 96 schlug den FC Ingolstadt deutlich und überzeugend mit 4:0. Der Aufsteiger kam mit 19 Punkten und 10:10 Toren nach Hannover und ausgerechnet 96 mit seinen bescheidenen 11 Punkten und 13:24 Toren zerlegte die verkappte Audi-Werkself. Endlich mal Hoffnung, dass der Knoten geplatzt ist, man bis zur Winterpause wenigstens noch auf 17 oder 18 Punkte kommt und das neue Management-Duo Bader/Möckel in der Winterpause echte Leistungsträger verpflichtet. Ein Szenario bei dem der Klassenerhalt wieder realistisch geworden wäre.

Herbst in Hannover
Herbst in Hannover

Leider war schon eine Woche später nichts mehr von den positiven Ansätzen der letzten 1,5 Spiele zu sehen. Für seit fünf Spielen sieglose Schalker war 96 wieder mal der perfekte Aufbaugegner. Mit 3:1 aus ihrer Sicht schickten keineswegs überragende, aber vorm Tor effiziente Knappen, die harmlose Frontzeck-Elf nach Hause. Jetzt galt es unbedingt in Hoffenheim bzw. Sinsheim zu gewinnen. Es war ein sogenanntes 6-Punkte-Spiel und mit endlich mal wieder etwas mehr Kribbeln wurde die Reise ins nördliche Baden-Württemberg angetreten. Leider blieb nur der vorherige Abstecher ins malerische Heidelberg von diesem Ausflug positiv in Erinnerung (einen ausführlichen Bericht gibt es hier). Es war ein Duell auf ganz niedriger Augenhöhe, bei dem Hoffenheim ein Tor und anschließender Stevens-Beton reichte, um einen überlebenswichtigen Dreier einzufahren. Dass 96 im Sturm mit Defensiv-Allrounder Andreasen anstatt den Neuzugängen Erdinc und / oder Benschop begann, sagte eigentlich alles über die verkorkste Personalpolitik des Sommers aus. Zieler und Kiyotake (der leider zu allem Übel einige Spiele aussetzen musste) waren die einzigen wirklich dauerhaft bundesligatauglichen Spieler im Kader. Im Sturm überzeugte nur Artur Sobiech phasenweise und die 96-Abwehr war nur an sehr guten Tagen reif für die Bundesliga. Einen zweiten Anzug, mit annähernder Erstligatauglichkeit, gab es dementsprechend gar nicht erst.

Hoffenheim auswärts
Hoffenheim auswärts

Natürlich wurde am 17.Spieltag nochmal gegen Bayern München verloren (nur 0:1) und dann waren sich die Zeitungen einig; Frontzeck würde die kommenden und berüchtigten Analysen von Martin Kind nur schwer überstehen können. Die NP verkündete gar schon den feststehenden Rauswurf. Dann wurde es Michael Frontzeck laut offizieller Darstellung zu bunt und er trat zurück. Ein typischer 96-Rücktritt zu vollen Bezügen, also ein Rauswurf den man anders verkaufen wollte. Die Gerüchteküche brodelte, dass Bader durchaus für Frontzeck votierte, aber der Gesellschafterkreis den Daumen senkte. Martin Kinds Entscheidung mit Dufner und Frontzeck in die neue Saison zu gehen hatte sich als Desaster entpuppt. Da konnte der große Vorsitzende von 96 noch so sehr eine angebliche Alternativlosigkeit herbeireden.

Die Alternativen wurden sich selbst verbaut. So gab es keine zweigleisige Planung für die neue Saison. Erst nach dem 34.Spieltag begann man den Markt zu sondieren. 96 hätte meiner Meinung nach im Frühjahr alles daran setzen müssen, einen neuen Trainer und vor allem einen neuen Manager für die neue Saison zu suchen. Stattdessen versetzte der unerwartete, aber nicht unverdiente Abstiegskampf alle in Schockstarre. Gerade weil Kind es jahrelang versäumte nachhaltige Strukturen aufzubauen, durfte Dirk Dufner einen dritten und letzten Sommer in Folge den Kader zur Vorsaison verschlechtern. Es fehlte an einem funktionierenden Nachwuchsleistungszentrum und einer Scoutingabteilung, die ligaunabhängig Optionen liefert. Und es fehlte an sportlicher Kompetenz in den Gremien des 96-Konglomerats. Keiner, der bei 96 was zu sagen hat, abgesehen vom Trainer, hat mal höherklassig die Fußballschuhe geschnürt. Und die mit dem größten Einfluss, sind leider die größten sportlichen Laien und dazu wollen und können auch noch viel zu viele Leute mitreden (jeder Gesellschafter hat anscheinend nochmal seine eigenen Einflüsterer). Diese Struktur ist einfach nicht bundesligatauglich und der sich abzeichnende Abstieg die logische Konsequenz.

Klassenerhaltschance in etwa zu hoch wie der prozentuale Bierinhalt dieses Bechers

Dennoch hatte man noch 17 Spiele Zeit das Ruder umzureißen. Dank schwächelnder Konkurrenz war man noch nicht hoffnungslos abgeschlagen. Der richtige Trainer, echte Verstärkungen und vielleicht wäre zumindest Platz 16 noch drin. Gerade die Trainerpersonalie überraschte alle. Martin Kind konnte seinen Wunschtrainer Thomas Schaaf von 96 überzeugen. Ein Meistertrainer tut sich die Mission Klassenerhalt bei Hannover 96 an. Auf den ersten Blick ein Coup. Um da von Anfang an fundiert skeptisch zu sein, hätte man sein Wirken die letzten Jahre in Bremen und Frankfurt schon sehr genau beobachten müssen. Leider hatte Schaaf Hannover 96 in der Hinrunde auch nicht genau beobachtet und war der Meinung die Mannschaft sei viel besser als der Tabellenplatz. Schien ein bisschen so, als ging der neue Coach davon aus, dass hier ein Europapokalaspirant einfach einen negativen Lauf hatte (à la Gladbach zu Saisonbeginn) und er, als der richtige Trainer, könne alle dazu bringen wieder ihr volles Potential auszuschöpfen. Vielleicht gab es auch deshalb zunächst eine gewisse Zurückhaltung auf dem Transfermarkt und am Ende Masse statt Klasse, obwohl Kind schwafelte dem Klassenerhalt alles unterzuordnen und Bader und Frontzeck ja eigentlich schon ganz früh und ganz seriös die Transferperiode vorbereiten wollten.

Nun kamen Hugo Almeida und Adam Szalai, um das Sturmproblem zu lösen und das Missverständnis Mevlüt Erdinc wurde nach Frankreich verliehen. Szalai war als zu schlecht beim Mitabstiegskandidaten TSG Hoffenheim befunden worden und Almeida war Schaafs Wunschstürmer, der allerdings deutlich über seinen Zenit hinaus war und laut Eigenaussage zu Rückrundenbeginn nur bei 50% seines Leistungsvermögens einsteigen könnte. Außerdem wurden die Perspektivspieler Fossum und Wolf für das offensive Mittelfeld geholt, Yamaguchi kam aus Japans 2.Liga und der abwanderungswillige Marcelo wurde noch nach Rückrundenbeginn mit Besiktas gegen den Schweden Alexander Milosevic getauscht. Der ganz große Transferkracher hatte sich leider zerschlagen. Laut übereinstimmenden Darstellungen war sich 96 mit Stephan Kießling einig, aber Bayer 04 schob dem Transfer einen Riegel vor. Sehr ärgerlich, denn nur solche Kaliber hätten wirklich nochmal Euphorie entfacht.

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Gegen Augsburg hatte wenigstens der Treue Norden was zu feiern

So beobachtete ich urlaubend aus der Heimat von Hugo Almeida, wie dieser zum Einstand zwar traf, aber 96 dennoch 1:2 gegen Darmstadt 98 verlor. Schade, denn das war ein echtes Schlüsselspiel. Man hätte mit drei Punkten Anschluss an die Nichtabstiegsplätze gehalten und Darmstadt zugleich wieder näher an die Abstiegsränge geführt. Die nächsten Wochen wurden nun ganz desaströs. 0:3 in Leverkusen, 0:1 gegen Mainz 05, 0:1 in Dortmund und 0:1 gegen Augsburg war die Bilanz der kommenden vier Spiele. Schaaf probierte viel, so zum Beispiel Schmiedebach auf der 10 oder Sané im rechten Mittelfeld, aber alles ging nach hinten los. Teilweise mit Ansage. Das war auf vielen Positionen „Try & Error“, bloß um Schaafs einstiges Erfolgssystem mit der Mittelfeldraute irgendwie zu etablieren. Und die Offensive mit Szalai und Almeida war völlig harmlos, so dass der Gegner eigentlich nur ein Tor erzielen brauchte und das Spiel war gelaufen. Der Wechsel von Frontzeck zu Schaaf schien eine schlechte Mannschaft noch schlechter gemacht zu haben und das rettende Ufer war mittlerweile acht Punkte entfernt.

Nun ging es ausgerechnet nach Stuttgart, zur Mannschaft der Stunde. Der VfB war glänzend in die Rückrunde gestartet und hatte seit der Winterpause seinen Abstand zu 96 von einem Punkt auf nun schon 14 ausgebaut. 28 Punkte hatten die Schwaben jetzt und waren gefühlt schon so gut wie gerettet. Auch Hannover 96 wurde eigentlich dominiert, aber vor dem Tor fehlte es dem VfB heute an Effizienz. Die wiederum hatte 96 ausnahmsweise mal im Gepäck. Kiyotake leitete zwei Treffer von Christian Schulz ein, die heute zum überraschenden Auswärtssieg reichten und ein Lebenszeichen an die Liga und in den Gästeblock sendeten. Endlich durften wir wieder einen Sieg bejubeln. Hatte sich gelohnt nach Stuttgart zu reisen, obwohl mich bis kurz vor Abfahrt noch gegen den Trip gesträubt hatte.

Zeitzeuge bei Schaafs einzigem Erfolg
Zeitzeuge bei Schaafs einzigem Erfolg

Beim kommenden Heimspiel wurde dem strauchelten Gast aus Wolfsburg ebenfalls die siegreiche Stuttgart-Formation entgegen gesetzt, aber 96 hielt nur bis zum 0:1 in der 36.Minute mit. In der 2.Hälfte gab es fast schon Auflösungserscheinungen und man ging am Ende 0:4 unter. Das zarte Pflänzchen der Hoffnung war schon wieder zertrampelt. Als gegen den Abstiegskonkurrenten Werder Bremen (obwohl 96 mittlerweile schon wie außer Konkurrenz am Tabellenende wirkte) auch noch mit 1:4 untergegangen wurde, hätte man Schaaf eigentlich spätestens beurlauben müssen, hätte man an der 96-Spitze noch eine Restchance auf den Klassenerhalt wahren wollen. Stattdessen wurde 96 nochmal von Köln vorgeführt (0:2 mit Doppelpack des preiswert abgegebenen Ex-96ers Leo Bittencourt) und schwache Frankfurter durften nach ihrem Sieg gegen 96 (0:1) neue Hoffnung im Abstiegskampf schöpfen. Danach durfte der Hamburger SV noch einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt in Hannover machen (0:3) und anschließend wurde endlich das Missverständnis Thomas Schaaf beendet. Obwohl Kind natürlich zuvor kategorisch einen weiteren Trainerwechsel ausgeschlossen hatte.

Vorerst letzter Besuch im Olympiastadion mit 96
Vorerst letzter Besuch im Olympiastadion mit 96

Der erfolgreiche U19-Trainer Daniel Stendel wurde wie schon Michael Frontzeck zur definitiven Interimslösung ernannt, ohne Perspektive auf Festanstellung. Allerdings war Frontzecks Mission ein Jahr zuvor der Klassenerhalt. Bei Stendel konnte sie nur Abstieg mit Würde lauten. Und in Berlin ging die Mission gut los. Mit Anton und Sarenren-Bazee wurden gleich mal zwei Jungspunde ins Bundesligawasser geworfen, die ihre Sache gut machten. Dazu gab es vier weitere Änderungen zur Vorwoche und diese neu zusammengewürfelte Truppe steckte einen frühen Rückstand überraschend gut weg und ging sogar mit 2:1 in Führung. Aber Ende stand es 2:2, was keine der Mannschaften wirklich voran brachte. Doch es hatte endlich wieder Spaß gemacht und ich ertappte mich wie schon in Stuttgart beim Support im Gästeblock (hier ein etwas ausführlicherer Tourbericht).

Choreo gegen den VfL Borussia
Choreo gegen den VfL Borussia

Zum nächsten Heimspiel hatte ich Geschäftskunden eingeladen, die wie schon in der Vorsaison gar nicht so leicht wie sonst für diese kleine Aufmerksamkeit zu begeistern waren. Zum Glück zogen Stendel-Effekt, großer Gegner und Fluchtlichtspiel nochmal ganz gut. Und die Ultras zauberten eine tolle Choreographie zum 120.Geburtstag des HSV von 1896 auf die Ränge. Dazu eine echte Gala-Leistung der Roten und Gladbach wurde mit 2:0 nach Hause geschickt. Die größten Optimisten holten nun wieder die Rechenschieber raus, aber ich genoss einfach nur den Moment. Endlich wieder Spaß im Niedersachsenstadion gehabt.

120 Jahre HSV von 1896
120 Jahre HSV von 1896

Die letzten Zweifel in Bezug auf den Trip nach Ingolstadt waren nun auch ausgeräumt. Dort lockte die Fans neben dem Kick auch noch ein Altstadt- und Bierfest zum 500.Geburtstag des Reinheitsgebots (einen ausführlichen Bericht gibt es hier). Ebenso gab es im Fanblock der 96er wieder eine schöne Choreographie. Dazu ein wacker erkämpftes 2:2 in der Fremde. Stendels Elf blieb also auch im 3.Spiel ungeschlagen. An den Hypothesen „Was wäre gewesen, hätte Stendel früher übernommen?“, kamen wir Fans nicht vorbei. Aber erfahren werden wir es natürlich nie. Zumal Kind zugab, dass er Stendels Werdegang als Jugendtrainer nicht so wirklich verfolgt hat und unser Ex-Spieler als potentieller Cheftrainer überhaupt nicht auf dem Schirm war. Am Tage nach dem 2:2 in Ingolstadt stieg 96 schließlich auf dem Sofa ab, da Frankfurt gegen Mainz 05 gewann und der Relegationsplatz somit rechnerisch nicht mehr erreichbar war.

Choreographie in Ingolstadt
Choreographie in Ingolstadt

Nach dem Spiel in Ingolstadt stand ein wichtiger außersportlicher Termin an. Für den 27.04. war die JHV des Hannoverschen SV von 1896 e.V. angesetzt. Die Interessengemeinschaft „Pro Verein 1896“ machte dafür mobil und schickte drei engagierte und qualifizierte Aufsichtsratskandidaten ins Rennen für Plätze in diesem fünfköpfigen Gremium, welches den Vorstand beruft und kontrolliert. Ihre Agenda lässt sich kurz mit Stärkung des Breitensportvereins und Erhalt von 50+1 in Hannover darstellen. Leider fanden mit Sebastian Kramer und Ralf Nestler nur zwei der drei Kandidaten genügend Unterstützer unter den anwesenden Vereinsmitgliedern. Valentin Schmidt, Michael Beck und die einst als Vertreterin der Roten Kurve ins Gremium gewählte Veronika von Lintel bleiben vom bisherigen Rat dabei. Gerade letztere hat wahrscheinlich aufgrund ihrer Fan-Vita auch viele Stimmen aus dem kindkritischen Lager bekommen und damit einen dritten „Pro Verein“-Kandidaten verhindert. Ob sie deren Erwartungen erfüllt oder Martin Kind zur endgültigen Übernahme verhilft, wird eine spannende Frage in naher Zukunft sein.

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Passion & Pride gibt es jetzt schon 10 Jahre

Spiel 1 nach dem feststehenden Abstieg führte Schalke 04 in unser schönes Hannover. Die Stimmung war untypisch gut für einen Absteiger. Wahrscheinlich weil sich 96% der Anhänger schon lange damit abfinden konnten und es keinen direkten Moment des Abstiegs auf dem Platz gab. Stattdessen zauberte heute die Gruppe „Passion & Pride“ eine schöne Choreographie zum 10jährigen in die Kurve und auch der Support war gut. Das Spiel ebenso, denn 96 drehte wie schon gegen Borussia Mönchengladbach richtig auf, kreierte teilweise Chancen im Minutentakt, scheiterte aber an der eigenen Abschlussschwäche. Daher konnten effizientere Schalker das Spiel auf den Kopf stellen und wie schon in der Hinrunde gewannen sie 3:1 gegen 96. Stendels erste, aber sehr unglückliche Niederlage.

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Auch der RBH-Zug rollt aerosolgeschwängert seit über 10 Jahren durch Hannover

Eine Woche darauf, im vorläufig letzten Heimspiel in der Erstklassigkeit, machten seine Jungs es wieder besser und Hoffenheim wurde 1:0 geschlagen (Tor des Tages: Hiroshi Kiyotake, der sich die 2.Liga wohl leider nicht antun wird). Ein versöhnliches Ende im Niedersachsenstadion, bei dem die Stadionregie es nach Abpfiff vielleicht etwas übertrieb mit der Europapokal-Revival-Atmosphäre. Aber nun ja, manche Touren kommende Saison sind fast so reizvoll wie Europapokal auswärts. Da hatte man sich schon unfreiwillig für einen ganz interessanten Wettbewerb qualifiziert. Erst recht, wenn man bedenkt, dass die 1.Bundesliga langsam mit unattraktiven Gegnern überquillt. Nur die Anstoßzeiten und die mutmaßlich vielen Montagsspiele werden nerven.

Letzter Akt in München

„Last but not leased“ durften wir als I-Tüpfelchen der pompösen Meisterfeier des FC Bayern beiwohnen. Dafür hatte die Fanszene wieder einen der beliebten Partysonderzüge organisiert, dessen Tickets reißenden Absatz fanden. Es wurde noch einmal fast 24 Stunden lang zusammen gefeiert, gelacht, gesungen und getrunken und vielleicht auch hier und da eine kleine Träne verdrückt. Eine Ära ging vorläufig zu Ende. Die 96-Elf zog sich in München nochmal achtbar aus der Affäre (1:2) und Daniel Stendel, der nach Saisonende noch fix mit seiner U19 den DFB-Pokal gewann, wurde nun doch zum Cheftrainer für die neue Saison auserkoren. Aber im Gegensatz zu Frontzeck hatte ich dabei ein gutes Gefühl. Möge es ein tolles Jahr in der 2.Liga werden. Mit Derbysiegen, Aufstiegskampf und interessanten Auswärtsreisen.

25 Punkte / Platz 18 / 11 Punkte auf Platz 16 / 25 Punkte auf Platz 7 / 31:62 Tore / Meiste Auflaufprämien kassiert: Ron-Robert Zieler (34x) / Meiste Torprämien kassiert: Artur Sobiech (7x) / Zuschauerschnitt: 41.376

Moin: Oliver Sorg (SC Freiburg), Felix Klaus (SC Freiburg), Mevlüt Erdinc (AS Saint-Etienne), Allan Saint-Maximin (AS Saint-Etienne), Charlison Benschop (Fortuna Düsseldorf), Uffe Bech (Nordsjaelland), Iver Fossum (Strömsgodset), Marius Wolf (1860 München), Hotaru Yamaguchi (Cerezo Osaka), Adam Szalai (TSG Hoffenheim), Hugo Almeida (Anzhi Machatskala), Alexander Milosevic (Besiktas).

Tschüss: Joselu (Stoke City), Lars Stindl (Borussia Mönchengladbach), Leonardo Bittencourt (1.FC Köln), Jimmy Briand (EA Guingamp), Didier Ya Konan (Fortuna Düsseldorf), Marcelo (Besiktas), Jan Schlaudraff (Laufbahn beendet).